Montag, 14. Mai 2007

1. Mai - Drachenkopf nach Neuclausnitz

Schlafplatz in Neuclausnitz mit Vollmond - wieder allein unterwegs
Peter-Jo

Morgens am Drachenkopf
selbstgebaute Weide für die Tiere

Rast in Nassauer Kneipe
Peter vor der Kneipe



Es war wohl gegen 10 Uhr als wir aufstanden. Peter war total durchgefroren. Ich etwas sauer darüber, dass er nichts sagte und lieber fror und den starken Mann spielte. So ein Held. Er hätte noch Zeug zum wärmen von mir bekommen, aber da kann man wohl nichts machen. Wir wärmten uns in der Sonne erstmal etwas auf. Dann ging er Kräuter sammeln und Wasser holen. Ich schürte derweil ein Feuer für das Frühstück in der Sonne. Peter brachte leckere Kräuter und frisches Wasser mit, womit ich dann einen guten Tee machen und die Tiere tränken konnte. Wir frühstückten gelassen in der Sonne, Peter wurde wieder warm. Wie wir uns sonnten wurde Nelson ein wenig nervös und einige Minuten später wussten wir warum. Frieder kam mit einer Gruppe Wanderreitern zu uns. Die Pferde und Esel waren neugierig sich kennenzulernen, die Weideabsperrung hielt die Grenze. Wir gaben noch einigen Leuten frischen Kräutertee, schwatzten ein wenig und Frieder erklärte mir mit seinen fundierten Wanderwissen Wege zum meinem nächsten Zielort. Mein neues Festziel war Thalheim, im Westerzgebirge, bei meiner Patentante, die einzige in meiner Familie, neben meiner Schwester, die mein Reisevorhaben gut fand und mich mit den Eseln willkommen hieß.

Die Pferde und ihre Reiter zogen weiter nach Nassau in eine Kneipe, wo wir uns noch treffen wollten, falls wir schnell genug sind. Nelson fand das gar nicht gut, als einziges Pferd zurück zu bleiben und wollte ausbrechen. Peter musste ihn anbinden. Die Koppel musste eh abgebaut werden, was Peter übernahm und ich packte den Rest zusammen. Peter versuchte die Kanzel wieder aufzustellen und so weit es geht zu reparieren. Dann eben Tiere putzen, satteln und bepacken. Das alles dauert mindestens eine Stunde.

Als wir los gingen, ritt ich wieder auf Nelson und Peter nahm die Eselchen. Nelson war kaum zu bremsen und wollte unbedingt den Pferden hinterher, was für mich, als ungeübte Reiterin gar nicht so einfach war, aber ich schaffte es. Mit Nelson war ich schneller als Peter mit den Eseln, doch gemeinsam kamen wir in Nassau an und gingen in die Kneipe, die sich gleich an den Anfängen des Dorfes befand. Miniela hatte immer noch Husten, was mir nicht gefiel.

Am Zaun der Kneipe, befestigten wir die Tiere. Die Wiese war von Frieders Pferden schon runter geknabbert. Der Ausblick hier nach Süden ging ins Tal, wir waren wohl ca. in 850m Höhe. Herrliches Panorama. Wir wurden von der Gastwirtin schon erwartet, sie nannte uns ihr Tagesgericht, Lammbraten mit Klößen und Bohnen, da sagten wir keinesfalls „Nein“. Das Gepäck kam vor das Fenster, so dass wir es in Aussicht hatten.

Das Essen war superlecker und sättigend. Da Sonntag war, waren einige Touristen unterwegs und kamen auch in die Kneipe um zu rasten. Ich wusch mich noch, füllte Wasser auf und Peter besorgte Heu von den Gastwirten. Dafür bedankte ich mich herzlich. Vor allem bei Peter, da er es besorgte und mich zum Essen eingeladen hatte. Beim satteln kam die Wandergruppe raus und stellte mir viele Fragen. Peter meinte, dass ich schon fast einen Vortrag halte und mir somit jeder eine kleine Spende dafür geben könnte. Liebenswert frech muss man sein. Einige spendeten mir tatsächlich etwas und ich freute mich. Peter gab mir noch ein paar Tipps zum Geld bekommen.

Wir gingen auf dem Weg ein Stück zurück zum Walde hin, da fand Peter Lungenkraut, am Rande eines Grundstückes. Ich gab Miniela etwas davon, aber so richtig wollte sie es nicht essen. Rein zwingen kann ich es ihr auch nicht.

Bei einer Kreuzung blieben wir stehen, hier musste ich gen Südwest abbiegen und Peter musste wieder zurück auf seinen Hof. Wir banden kurz die Tiere an und rauchten gemeinsam eine Abschiedszigarette. Der Abschied von ihm fiel mir schwer, weil so etwas wie Liebe zwischen uns war. Es war etwas mystisches zwischen uns, was uns von unseren ersten Gespräch an ein Gefühl von Urvertrauen gab und als wir uns schon ewig kennen würden. Peter war total verliebt in mich. Ich hatte eine Beziehung zu einer jungen Liebe im Herzen, doch spürte ich auch dieses Urvertrauen. Seltsam das alles. Die ganze Zeit in Dresden lernte ich nicht die Liebe kennen und jetzt wo ich losgehe kommt sie gleich von zwei Männern zu mir. Was für ein Verhängnis, denn ich war auf Reisen und nicht gewillt jetzt alles hin zu schmeißen, wo es doch gerade erst anfing. So konnte ich mich auch gar nicht richtig öffnen für die Liebe.
Geweint habe ich trotzdem als der kleine Petermann auf dem dicken Nelson davon galoppierte. Was für ein herrliches Bild und Drama. Dazu kam, dass mein Hund Sultan plötzlich verschwunden war und Peter hinterherrannte. Ich schrie nach ihm und heulte. Peter erzählte mir später, dass er Sultan mit Steinen bewerfen musste, damit er zu mir zurück ging. Verrückt, was?! Peter schien der erste Mann zu sein, den Sultan mochte und neben sich akzeptierte, was ja bei Rüden, welche eine Herrin haben, nicht so einfach ist. Ebenfalls bei Männern, die eine Hündin haben. Hunde sind doch sehr verbunden mit ihren Chefe, sonst könnte sie wahrscheinlich nie im Rudel leben, in freier Wildbahn. Katzen sind da schon anders drauf.

Jetzt war ich wieder allein und stolperte verweint los und verlief mich auch prompt. Aber nicht allzu weit. Ich ging auf anderen Wegen, als die, die mir Frieder nannte und kam unten in Rechenberg-Bienenmühle raus. Es ging nur bergab, immer der Sonne entgegen. Hier und da standen neben den vielen Fichten Buchen, worüber ich mich freute, da ich diese großen mächtigen Bäume sehr mag. Im Tal wusste ich erst nicht genau weiter, obwohl ich immer nur der Sonne entgegen laufen brauchte. Ein wenig Unsicherheit spürte ich aber in mir, wieder so auf mich alleine gestellt. Aber genau das wollte ich ja, um meine Unsicherheiten abzubauen, meine Intuition stärker zu spüren, ihr zu vertrauen und zu folgen. Um die eigene Stimme zu hören muss man allein sein, was in der Stadt schwer fällt, selbst wenn man da auch allein ist. Gemeinsam einsam. Jeder ist allein, jeder wird allein geboren, lebt sein Leben allein und stirbt allein. Natürlich gibt es Menschen zu denen man Kontakt hat und sie liebt, trotzdem ist man allein, auf sich gestellt im Leben, um es ohne Verzweiflung und Trauer zu leben.

Viele Menschen geben einem Ratschläge und wissen, was für einen das Beste ist. Ich frage mich woher? Sie kennen mich doch gar nicht! Ich kenne sie auch nicht, nur soviel, was sie von sich zeigen und geben. Und wenn man Glück hat ist es ehrlich, authentisch. Die meisten oder vielleicht jeder kennt sich selbst noch nicht einmal. Man selbst ist sich oft ein Rätsel, andere sowieso. Und wenn jemand einen dann immer berät, oft fragt man ja auch aus falschen Unsicherheiten, dann kann man nie lernen auf seine eigene Stimme zu hören. Alle Menschen haben zudem ihre eigene Realität und Wahrnehmung des Lebens, welche manchmal die des anderen ähneln, und das ist es was die Menschen in Freundschaft und manchmal auch in Liebe verbindet und bestärkt.

Nun, ich zog los, um All-eins-zu-sein. Was mir bei vermehrter Einsamkeit Angst machte, doch jetzt war es nicht so. Ich war sogar ein wenig erleichtert wieder allein zu sein. Ein jedes Wort beeinflusst uns, ob wir es wollen oder nicht. Was nicht heißt, dass ich dies jetzt negativ oder positiv bewerten will. Es ist eine Tatsache, ein normaler Energieaustausch. Wir senden und empfangen Impulse, reagieren und agieren. Wobei viele Menschen reagieren, statt zu agieren. Wenn man was verändern will ist agieren besser angebracht, denn nur da kann man was bewegen und Impulse aussenden.
Aber gut jetzt hier, weiter im Geschehen des Tages.

Ich stand da und musterte die Straßenschilder wo sie hinführten, da sprach mich jemand an und erklärte mir den Weg nach Neuclausnitz. Ja, wenn man unten im Tal ist im Gebirge muss man natürlich wieder bergauf, es sei denn man folgt dem Talverlauf. Doch das war nicht mein Weg. So gingen wir wieder bergauf, zur großen Freude von Sasi. Sasi ließ sich übrigens ohne Probleme bei Peter besatteln, zeigte also keine Anzeichen, dass sie nicht mit wollte, um im Stall zu bleiben, was mich doch sehr erfreute. Der Aufenthalt bei ihrem alten Chefe brachte uns sogar näher.

Wir schafften den Berg ohne große Sturheit der Esel, all zu viel sind wir ja auch noch nicht gelaufen an diesem Tage. Die Sonne war schon im Begriff unterzugehen. Ich lief auf einem alten LPG Weg, der Neuclausnitz und Clausnitz verband. Rings herum war Feld, als die Häuserzeile verlassen hatte. Wald gab es noch weiter oben, was aber auch nicht mein Weg war. Ich wusste nicht so recht, ob ich weitergehe oder mir hier einen Platz suche. Da kam ein Mann aus meiner Zielrichtung und dachte wir seien nicht echt und prüfte, ob wir der Realität entsprechen. Er war angetrunken, das merkte ich sofort und stellte mir so alle möglichen Fragen. Zuerst war es mir unangenehm, ich traue Betrunkenen nicht wirklich, denn sie sind unberechenbar und können ihre Reaktionen selbst nicht voraussehen, geschweige denn kontrollieren. Auch lassen sie sich nicht so schnell abwimmeln und stellen ehrliche Fragen.

So kamen wir doch ins Gespräch und rauchten. Es wurde ein Gutes Gespräch. Denn er verstand was ich mit der Reise beabsichtigte. Er ist ein arbeitsloser Mann, der viel vorm Fernseher sitzt und eigentlich total gefrustet ist von dieser Art zu leben. Das Gespräch dauerte mir mit all dem Gepäck auf dem Rücken zu lange. Auf der Weide war eine kleine Felsinsel mit jungen Bäumen umgeben. Das sah recht kuschelig aus, so sagte ich ihm, dass ich dort erstmal unser Gepäck ablegen muss und dies mein Nachtlager wird. Er war erstaunt, dass ich junge Frau, es mir traute allein hier zu nächtigen. Es war ein fruchtreiches Gespräch. Ich glaube, dass ich ihn bestärkte mal wieder zu agieren und sich nicht so hängen zu lassen. Ich freute mich daran ihm gut zu tun. Interessant war auch die Begebenheit, dass er mir in der Mitte des Gespräches etwas Kleingeld spendete und am Ende mir 20 € spenden wollte, was ich entschieden ablehnte. Ich hatte ja gerade etwas verdient und soviel Geld ist nicht von Nöten, wenn man zu Fuß unterwegs ist. Dafür schenkte er mir eine Packung Wick Zitronenbonbons, was ich total süß fand und absolut keine Werbung sein soll für diese Firma. Sie trug ich lange bei mir und nahm immer nur eines, wenn der Durst zu groß war und ich nicht anhalten wollte. Oder ich auch mal Halsschmerzen hatte, was nicht mehr vor kam eigentlich, denn bei Peter bin ich völlig genesen. Er hatte sich auch rührend um mich gekümmert, ich hatte Sonnenenergie getankt, Ruhe und Liebe bekommen.

Das wunderbare an diesem Flecken Erde war, dass er offen war und ich sehen konnte, wie die Sonne hinterm Berg im Westen verschwand und im Osten der volle Mond aufging. Dazu sternenklare Nacht, wie konnte es schöner sein. Ein wenig machte mir diese Schutzlosigkeit in der offenen Bergebene etwas Angst, deshalb zog ich ein großen Schutzkreis um diesen Platz. Der Platz war schön, weil ich doch ein wenig im Gebüsch sein konnte, Felsen gaben Schutz und viel trockenes Holz lag herum, so dass ich ein Feuer machen konnte. Ich machte nur etwas Tee und ließ es dann erlöschen, so ein Feuer fällt dann ja doch auf. Die Nacht war sowieso sehr hell durch den Vollmond.

Ich bin immer wieder immer seine Helligkeit und den Glanz fasziniert, den er oder auch die Mondin ausstrahlt. Der Mond wird ja dem weiblichen Wesen zugeschrieben und die Sonne dem Mann. Passiv – Aktiv. Minielas Husten wurde nicht besser, so gab ich ihr aus der hömophatischen Apotheke etwas gegen trockenen Husten und wickelte ihr zusätzlich meinen dicken Schal um ihren Hals. Was sehr lustig aussah. Irgendwie kam ich mir auch komisch vor, ihr einen Schal umzuwickeln, aber was bei uns hilft, könnte ja auch den Tieren helfen.

Die Esel kamen zur Nacht mit rein ins Gebüsch, was mich beruhigte. Sasi war zu meinem Erstaunen ruhig und gelassen. Kein Zeichen von Panik oder dem Willen
umzukehren. Dies erfreute mich sehr und gab mir neuen Mut mit ihr zu gehen.

Ich schlief phantastisch, fühlte mich von der Mondin und dem gezogenen Kreis geschützt.

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