Montag, 14. Mai 2007

2. Mai - Neuclausnitz bis kurz nach Sayda

Ausblick von der Terasse aus
Esel wälzen sich fröhlich
Miniela müde
Sasi im Vorgelände
Sattelstange und Sultan
Die Terasse der Ausssteigerranch
wunderschön

Schlafplatz Neuclausnitz von außen
Schlafplatz von innen - Neuclausnitz



Durch das offene Land bin ich zeitig durch die aufgehende Sonne geweckt wurden. Miniela hatte den Schal während der Nacht heruntergerissen, jetzt lag er im Dreck und die Esel sind einfach darauf herum getrampelt. Nicht schön. Aber es gibt schlimmeres. Ich teilte das letzte Wasser unter den Tieren auf und behielt etwas für den Cappuccino. Es war ein angenehmer sonniger und frischer Morgen. Nach dem Frühstück kam das tägliche Ritual des Esel bürsten und Hufe auskratzen, wobei die Hufe auch jedem Abend ausgekratzt werden müssen und manchmal auch unterwegs, je nach Wegbeschaffenheit. Auch löste ich den Schutzkreis wieder auf, das sollte nicht vergessen werden.

Der alte LPG-Weg erwies sich als recht stark befahren. Wir wurden oft belächelt. Egal in welcher Form, unser Anblick erzeugte bei den meisten Menschen ein Lächeln im Gesicht. Das ist was Gutes. Selten wurden wir auch mal argwöhnisch beguckt. Da hilft auch meist ein Lächeln meinerseits und ein freundliches „Hallo“.

Am Rande von Clausnitz gab es eine Kuhstallanlage. Zwei Frauen machten draußen etwas sauber, ich ging zu ihnen und fragte sie, ob ich die Tiere mal tränken dürfte und in meine Flaschen Wasser nachfüllen. Sie waren sehr freundlich und freuten sich über die Eselchen. Wenig Menschen kennen Esel in Echt und Natura. So erzeugen meist Freude bei den Menschen, ob groß oder klein. Später bemerkte ich, dass sie nicht nur meine Gepäckträger sind, also ein Mittel zum Zweck, sondern den Menschen auch Freude bringen konnten, was mir auch Freude brachte.

Den Durst gestillt ging es weiter, an einer anderen LPG vorbei. Niemand hatte etwas Heu übrig für die Esel. Auch in der vorherigen war nichts zu machen. Esel brauchen nämlich immer Heu, Stroh, einfach trockene Kräuterpflanzen, weil ihr Magen es besser verträgt und das Gras im Frühjahr zuviel Eiweiße enthält, was zu Durchfall und im schlimmsten Fall zu Hufrehe führt. Beim Wandern verarbeiten sie das Eiweiß zwar gut, dennoch ist Heu das Beste Benzin für sie.

Aus dem Dorf heraus ging es wieder bergauf in den Wald, Richtung Kreuztanne. Ein fast reiner Fichtenwald, mit zahlreichen Kräutern am Wegesrand. Auch Hufflattich. Ich ließ Miniela immer wieder davon fressen und sie suchte sich auch dieses Kraut aus. Tiere wissen wohl instinktiv, welches Kraut gut für sie ist und welches nicht. Esel sind wahre Kräuterliebhaber und suchen sich nur das Beste raus.

Die Esel wurden so langsam müde und wollten pausieren, mir ging es genauso, aber im Wald gibt es wenig Futterflächen für Esel, so lief ich noch bis zum Waldende. Die Wälder hier sind nicht sehr groß, weil viel Holz verarbeitet wird. Es sind auch fast ausschließlich Industriewälder oder Privatwälder, dennoch naturnäher als in Brandenburg. Im Erzgebirge wird viel mit Holz gebaut und fast ausschließlich damit im Winter geheizt. Es war hier auch immer ertragreicher, fruchtbarer Boden, bis die Chemiewerke der DDR und CSSR vieles verseucht haben. Heute ist es in anderen Ländern nicht anders, leider, wenn man bedenkt, dass die Erde uns alles gibt was wir zum Leben brauchen.

Eben am Waldende, kurz vor der Kreuztanne, welche ein großes Hotel darstellte, beschloss ich Mittagslager zu machen. Die Esel waren erleichtert und ich auch. Von hier aus fiel das Land leicht ab ins Tal und ich konnte Dörfer von hier aus sehen, eben wie das Hotel „Kreuztanne“. Ein kleines Dorf hatte mir Peter als Nachtlagerstation empfohlen, da wohnte eine Bekannte von ihm, aber es war noch zu früh am Tage für mich, um schon Nachtlager für uns einzurichten. Ich entspannte mich gut in der Pause, aß, schrieb und trank was. Dann hielt ein dickes Auto (Jeep) neben mir an und heraus kam ein kleiner alter hutzliger Mann, der mich auf unseren ungewöhnlichen Anblick ansprach und mich ausfragte, wo ich denn her sei und wo es hin ginge...

Es wurde ein sehr nettes Gespräch und dann am Ende fragte er mich, ob er mich mal kusseln konnte. Das überraschte mich und ließ mich stutzen. Ich sagte „Nein, wozu?!“ Und dann wollte er tatsächlich mich kusseln und begrabschen, dieser alte Mann von ca.70 Jahren. Das war unfassbar für mich. Ich war natürlich ganz und gar nicht mit der gewollten Nähe einverstanden und zeigte ihm Abwehrverhalten. Daraufhin meinte er doch, dass er mir nichts tun wolle, nur begrabschen und kusseln. Ich erklärte ihm, dass ich ihm aber was tun werde, wenn er nicht sofort verschwindet. Und das tat er dann auch recht schnell. Ich war total empört und fand es abscheulich. Nur, weil ich allein als Frau unterwegs bin, bin ich noch lange keine, die man sich einfach nehmen kann. Unglaublich frech... so ein alter Mann. Hoffentlich hat er keine Tochter und/oder Enkelinnen.

Danach rauchte ich erstmal noch eine und meine Entspannung war nicht mehr so groß. Laufen hilft da immer, deshalb wieder aufgesattelt und weiter, an der Kreuztanne vorbei und einen Feldweg runter Richtung Sayda. Das Dorf war von weitem schon sichtbar. Vor mir lief eine große Gruppe von Rentnern, die einen Spaziergang machten. Da sich der Weg so bog und wand, auch recht schottrig war, kürzte ich über die offene Weide ab. Das erwies sich aber auch als schwierig, weil die Wiese so saftig grün, die Esel zum Fressen einlud. So ging ich dann wieder auf den Weg und überholte die Gruppe Senioren, welche über 20m verteilt auf dem Weg lief, gemütlich schwatzte und lachte. Sie staunten nicht schlecht, als wir plötzlich in ihrer Mitte aufkreuzten und sie überholten. Selbst ich war überrascht, denn wir sind ja schon langsam unterwegs, dennoch überholte ich sie langsam. Sie waren belustigt und neugierig, stellten mir Fragen und machten Witze über uns.

In Sayda angekommen, wollte mich einer unbedingt fotografieren, wozu ich stehen bleiben musste. Ich fragte ihm nach einer Spende dafür, er war einverstanden und meinte dann, dass er unbedingt der Bildzeitung von Chemnitz Bescheid geben musste, was ich nicht so toll fand. Ich war jetzt eher darin interessiert wie ich auf den roten EB Fernwanderweg komme, der durch Sayda führte. EB steht für Eisenach – Budapest. Ich würde bis Wolkenstein in benützen, um nach Thalheim zu kommen. Es waren noch ca. 70km, bis dahin. Ein alter Mann, der oberhalb des Weges an einem Rastplatz saß und Bier trank, wusste den Weg und erklärte ihn mir. Dazu musste ich ein Stück durch Sayda, was schon fast eine kleine Stadt ist. Wieder ernteten wir erstaunte und lächelnde Blicke, was mir zugegebenermaßen gut gefiel. Ich fand die Stelle, wo es auf den EB – Weg ging, aber sie war nicht ausgezeichnet und keiner der Anwohner konnte mir sagen, ob es der richtige Weg Richtung Olbernhau sei. Ich schwatzte noch kurz mit Leuten, Kinder streichelten die Esel und dann lief ich einfach drauf zu und erkannte später, dass dies der richtige Weg ist.

Als ich im Laufen war, bemerkte ich, dass ich völlig vergessen hatte Wasser aufzufüllen, was ich in Sayda vorhatte und so lief ich etwas genervt von meiner Vergesslichkeit zurück zu der Kleingartenanlage, am Rande der Stadt. In den Kleingärten gab es gar kein fließendes Wasser mehr, sie hatten nur Regenwasser und davon auch nicht mehr soviel, da es schon so lange nicht geregnet hatte. Außerdem ist das abgestanden Regenwasser nu nicht so toll für mich. Weiter unten war eine Neubausiedlung. Sultan war nicht angeleint. Da kam eine Katze und wie dass so ist, rennt die Katze weg und der Hund hinterher. Juhu, ich bekam auch gleich einen deftigen Anschiss von dem Besitzer einer Katze. Da kann man tausendmal sagen, dass der Sultan den Katzen nichts tut. Aber das weiß der Besitzer ja nicht. Aber er weiß doch, das Katzen viel flinker, behänder und cleverer sind als Hunde. Ich entschuldigte mich ganz oft dafür und fragte ihn dann auch noch nach Wasser. Er wollte mich weiter weg schicken, zu einer Quelle. Das wollte ich allerdings nicht und bestand darauf. Eine Frau, die mit ihren Kindern die Szene beobachtet hatte, war zwar freundlicher als er, aber auch nicht gewillt Wasser zu geben und misstrauisch. Es tat mir dann wirklich leid, ich verstand, dass ich nicht überall mit Freuden empfangen werde, was ja auch ok ist. Doch war ich schon so verwöhnt davon, dass ich es schon erwartete.

Erwartungshaltungen enttäuschen den Menschen ja immer irgendwie. Da kann man es sich ja nun endlich mal merken, nichts zu erwarten und dennoch kommt es immer wieder vor. Von dem wütenden Katzenbesitzer bekam ich doch noch Wasser und wir konnten noch gut miteinander sprechen, was mir wichtig war.

Ich lief beschämt durch die Gartenanlage zurück, auf den Wanderweg, der hier auch Rad – und Autoweg war. Ich machte eine kurze Rast in der untergehenden Sonne, damit die Esel kurz was fraßen, ich eine rauchte und wir danach durch den Wald kämen. Der gedachte Wald, war nur ein Wald am Wegesrand.

Es war schon 18 Uhr und wir alle waren müde und brauchten ein Nachtlager. So kam ich an zwei verlassenen Grundstücken vorbei, wobei das Linke von denen ein richtiges Wohnhaus besaß und das Rechtere ein flache Holzhütte. Das linke Grundstück wirkte irgendwie gruslig und von negativen Geistern besetzt. Vor dem Haus standen drei große Birken, deren alle Köpfe fehlten. Das rechte Grundstück war kleiner, aber positiver vom Gefühl her. Aber niemand war da. Also suchte ich weiter nach einem Nachtlager. Doch nichts schien so richtig geeignet. Ich wollte offenes Land, damit ich noch was von der Abendsonne habe und am nächsten Morgen von der aufgehenden Sonne. Dennoch wollte ich mich beschützt fühlen und unsichtbar nach außen.

Auf dem Weg war einiges los, und viele sahen uns. Ich hatte nicht das wohlige Gefühl der Sicherheit irgendwo am Wegesrand zu schlafen. Ich schaute hier und da nach, überall war ich sichtbar oder zu tief im Busch. Die Esel wollten einfach nur pausieren, mehr nicht und so ging ich wieder zurück zu den Grundstücken, um zu gucken, ob man hinter ihnen ein Lager aufbauen könnte. Nichts da. Dann stand ich vor dem rechten Grundstück und siehe da, es war nicht abgeschlossen. Ich hatte das Gefühl da rein zugehen, aber traute mich nicht, denn ich hatte ja nicht gefragt und war eine Fremde. Ich wollte ja nichts klauen, randalieren oder so was schmutziges. Ich wollte einfach nur einen Ort für den behüteten Schlaf haben.

Nach langem hin und her, machte ich auf und ging rein. Ich bat die Geister des Ortes um Einlassgewähr und mir schien, als gewährten sie uns, aber waren noch misstrauisch. Das ist alles ein Gefühlsding, was ich hier mit Geistern beschreibe. Am hinteren Teil des Grundstücks sah ich Sattelstangen, freute mich darüber und sattelte erstmal ab. Dann kniete ich mich nochmal auf den Boden und bat die Geister des Ortes für eine Nacht hier bleiben zu dürfen in ihrem Schutzes. Ich wolle nichts Böses, nur einen ruhigen Ort. Dann sah ich das der Rasen erst vor kurzem gemäht wurde. Es war also nicht so verlassen, wie ich anfangs annahm. Dann sah ich lange Holzstangen, die ich als Tippistangen vermutete, einen Rindertotenschädel, als Abschreckung für negative Geister vermutlich oder auch einfach so als Spaß und die Krönung des Ganzen war, der Tisch auf der bedachten Terrasse. Er war voller Punkersprüche. Da löste sich sich die Angst in mir und ich fühlte mich gleich viel besser und fast wie zu Hause.

Ein Punker - und Alternativplatz war dies also hier, wie schön, dass er offen und einladend war. Heute glaube ich, dass er mich unbewusst angezogen hat, da ähnliche Energieströmungen uns verbinden. Ich freute mich, wurde lockerer und ließ die Esel erstmal frei laufen. Doch Sasi nahm dies zum Anlass nach draußen gehen zu wollen. Ich fragte mich, warum sie nicht hier bleiben wollte. War es die negative Energie dieses Ortes oder die des Nachbarn? Oder zu wenig Platz? Ich hatte schon zuvor in weiser Voraussicht das Tor extra mit Schnippsgummis gesichert, denn ich wusste von Peter, dass Sasi Tore öffnen kann. Und sie hätte es auch fast geschafft, wenn ich es nicht gesichert hätte.

Gar nicht blöd die Esel. Wer nur darauf gekommen ist, das Esel dumm sind? Nun, sie lassen sich nicht so gut erziehen wie Pferde. Eigentlich gar nicht, wenn sie es nicht wollen. Wenn sie dich mögen und dir vertrauen, dann machen sie eine Menge Blödsinn mit dir mit. Aber wenn sie was nicht einsehen zu tun, was ein Mensch von ihnen verlangt, der sie vielleicht auch noch schlägt, dann tun sie es auch nicht. Sie sind vom Charakter her eher wie Katzen. Eigenwillig mit hoher Wahrnehmung, höher als Pferde und Hunde. Sie suchen sich wie Katzen auch die Menschen aus, die sie mögen. Bei Miniela und mir war das so. Esel – Menschliebe auf den ersten Blick. Bei Sasi hat es lange gedauert und sie hat mir immer wieder gezeigt, dass ich nicht ihre Chefin bin, bis es irgendwann mal einen Knackpunkt gab. Wann, wo und warum weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass sie Peter ablehnte, bei dem sie 18 Jahre gelebt hatte.

Sasis Unruhe hier auf dem Platz machte mich selbst auch etwas unruhig. Spürte sie was, was ich nicht spürte? Eine Gefahr vielleicht? Oder kam sie mit den Energien hier auf dem Hof nicht klar, die ich auch spürte? So ganz wohlig war ich dann nicht mehr. Da ich sie vom Tor zurückholen musste, entdeckte ich dass die Scheune offen war. Darüber freute ich mich, da ich noch keine Schaufel besaß, um den Eselmist zu entfernen. Hier gab es eine Schaufel und eine Menge Heu. Ich doch sehr erleichtert und begeistert. Alles andere hier war zugeschlossen. So ein Glück aber auch. Den ganzen Tag habe ich für die Esel kein Heu auftreiben können und hier gab es welches. Ich holte etwas raus und gab es ihnen zu fressen.

Sasi musste ich anleinen, was ihr auch nicht gefiel. Doch als ich sie wieder losmachte, wollte sie wieder das Tor aufmachen und abhauen. So musste sie zwangsweise ans Tor. Ich genoss kurz die goldene Abendsonne bis sie ganz verschwand und bereitete mein Lager auf der Terrasse. Über den Tisch freute ich mich besonders, so ein Möbeliar erleichtert doch ungemein das Schreibgefühl. Ich musste alles Gepäck von Sasi wegräumen, denn was sie kriegen konnte, wollte sie auseinander nehmen oder wenigsten draufscheissen. Klingt jetzt lustig, war aber gar nicht lustig, weil sie es tatsächlich mit Absicht macht.

Ich schrieb dann abends bei Kerzenschein ein wenig, erschrak bei den Gewehrschüssen der Jäger und schlief dann recht gut ein und durch. Ich war sehr froh hier drin zu sein. Man sah uns auch nicht von vom Tor aus und unbekannte Punks, Alternative für die Bürger hier, halten sich wohl immer mal hier auf. Miniela bekam weiterhin ihre Medizin gegen Husten, der sich langsam linderte. Sie war auch so viel entspannter als Sasi und pennte bei mir unterhalb der Terrasse. Sasi scharte den Boden auf, was mir echt unangenehm war, da wir uns in einem fremden Grundstück befanden.

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